Die Sehnsucht nach dem Paradies, so klangvoll umschrieben, erscheint das neue Album von Albrecht Mayer, dem Solooboisten der Berliner Philharmoniker.
Oboe-Blog hat reingehört und stellt euch das neue CD vor.
Wie auch bei seinen letzten Alben ist bei dem Star der Oboisten das Marketing gut organisiert und in den sozialen Netzwerken stößt man leicht auf sein Promotionvideo.
Das im Sepia-Ton gedrehte Video zeigt das Zurecht-Machen des in Spitzen gedrehten Oberlippenbartes. Während der Auswahl der Kleider zum Fotoshooting für das CD-Cover referiert Herr Mayer über das
Oboenkonzert von Richard Strauss und dessen Bedeutung für jeden Oboisten. So soll es, laut seinen Aussagen, schon viele Oboisten in den Wahnsinn getrieben haben, da es physisch so anstrengend
ist.
Richard Strauss Gedanken zu seinem Oboenkonzert stellt sich Albrecht Mayer so vor: „Wie wäre es, wenn ich einen Oboisten hätte, der alles kann, Mühelosigkeit mit wunderschönen Ton von vorne bis
Ende. Wie wäre es, wenn der ultimative Oboist ein Stück spielen würde, was ich schreibe. “
Ob Albrecht Mayer sich in diesem Oboist sieht, bleibt Interpretationssache.
Die Selbstinszenierung und Vermarktung einzelner Personen, wie in der Pop-Branche, wirkt in der Klassik noch etwas befremdlich. Doch scheint sie auch hier immer mehr zu funktionieren. Wie man
auch dazu steht, eines muss man Albrecht Mayer lassen: Die Oboe beherrscht er!
Beginnend mit Edward Elgars „Soliloquy“ leitet Albrecht Mayer in sein Album ein. Für ihn ist dieses Werk, was nur als Fragment einer Suite für Oboe und Orchester vorliegt, die ideale Einleitung zum großen Oboenkonzert von Strauss. Schon länger spielt er dieses Werk in seinen Konzerten und leitet elegant ins Solokonzert über. Sphärenhaft schwebt die Oboe im Elgar über dem Orchester und spielt kadenzartige Girlanden bis in die höchsten Töne. Albrecht Mayer lässt die Töne mit viel Vibrato schwingen und betont die emotionale Kraft des spätromantischen Werkes. Ein idealer Einstieg in sein neues Album.
Das oft gehörte Oboenkonzert von Richard Strauss folgt auch hier auf Elgar und man versteht was Mayer mit der fehlenden Einleitung meint. In der nach zwei Takten beginnenden Exposition spielt die
Oboe fast atemlos über Minuten. Hier arbeitet er mit viel Rubato und verweilt auf Tönen, denen man oft nur wenig Bedeutung zumisst. Wie gewohnt sind Mayers Interpretationen etwas Besonderes und
heben sich von dem Üblichen ab.
Der zweite langsame Satz ist mit viel Vibrato ausgekleidet und mit vielen Schwellern versehen, was je nach Geschmack zu viel erscheinen kann. Die Intimität des zurückhaltenden Satzes geht dabei
leider oft etwas verloren. Technisch brillant und scherzhaft erklingt dafür der dritte Satz. Die abwechselnden Phrasen zwischen den Bläsern des Orchesters und der Solo-Oboe bringt Albrecht Mayer
sehr gut hervor und erweckt den Eindruck einer richtigen Unterhaltung zwischen Soloinstrument und Orchester. Anstatt am Ende des Solokonzertes
nochmal tempomäßig aufzudrehen bringt er das Konzert eher langsam und dafür hochromantisch zu Ende.
Das tragisch geprägte Werk „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel in der Orchesterfassung überrascht auf einem Solo-Album. Zwar ist die Oboe in diesem Orchesterwerk sehr solistisch präsent, doch handelt es sich hierbei um kein Solokonzert. Schnell bemerkt der Hörer aber, dass es sich hier nicht um die Original Fassung handelt. Die in dieser Version viel präsentere Oboe spielt Albrecht Mayer vor dem Orchester stehend. Tempi und Rubati sind komplett auf die Solo-Oboe abgestimmt. Teilweise werden neue Phrasen in der Solo-Oboe hinzugefügt und ein Satz ist sogar komplett neu arrangiert. Albrecht Mayer erfindet das Stück regelrecht neu und interpretiert es auf eine Art und Weise, wie man es aus dem Orchester heraus als Oboist nie könnte.
Das am Schluss stehende Oboenkonzert von Eugène Goossens steht genau auf der Schwelle zur Moderne. Im Jahr 1927 für seinen Bruder Léon Goossens geschrieben, erinnert es an das Konzert von Vaughan Williams sowie durch die wiederkehrenden Girlanden ebenso auch an das vorangegangene Strauss Konzert. Spätromantische Phrasen bringt Mayer ebenso heraus wie moderne harte Charakteristik. Ein Oboenkonzert, was durch seine Vielfältigkeit öfters im Konzertsaal erklingen sollte.
Das begleitende Orchester, die Bamberger Symphoniker, gerät auf der CD manchmal etwas zu sehr in den Hintergrund.
Für Albrecht Mayer spielt es dennoch eine ganz besondere Rolle. So kehrt er hier gewissermaßen zu seinen Anfängen zurück. Denn 1990 trat er genau in
diesem Orchester seine erste Stelle an und spielte zwei Jahre auf der Position der Solooboe, bevor er 1992 zu den Berliner Philharmonikern wechselte.
Klangvoll und flexibel begleiten sie ihren ehemaligen Kollegen und lassen ihm Raum sich solistisch zu entfalten.
Der Klang der Oboe Albrecht Mayers ist mittlerweile bei jedem Klassikliebhaber im Ohr und eng verbunden mit dem Instrument. Wer nicht allzu streng
auf die genaue Wiedergabe des Notentextes blickt und der Interpretation einen großen Gestaltungsraum lässt, wird seine Freude an dem Album haben. Mit neuen Gestaltungen von Altbewährtem hat
Albrecht Mayer schon oft überrascht und wird auch diesmal seine Fans in den Bann ziehen.
Albrecht Mayer
Longing for Paradise
Deutsche Grammophon
16,99€
Diese Rezension erschien zuerst im 'rohrblatt, die Zeitschrift für Oboe, Klarinette, Saxophon und Fagott.
Abos erhältlich auf rohrblatt.com
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