Understanding the Oboe Reed - Graham Salter

 

Über 500 Seiten stark und 1,5kg schwer -  Schon der erste Blick lässt erahnen, dass es sich bei diesem Werk nicht nur um eine weitere Anleitung zum Rohrbau handelt. Graham Salter, startet mit seinem Buch "Understanding the Oboe Reed" den Versuch alles in ein Buch zu fassen, was die Oboe betrifft.


Das bereits über sechs Seiten gehende Inhaltsverzeichnis verrät, dass Salter sich in seinem Buch nicht nur mit dem Rohrbau befasst. Themen wie Ansatz, Stütze, Vibrato und etliches mehr stehen im Fokus. Schon im ersten Kapitel, welches die Grundlagen umfasst, geht er sehr in die Tiefe. Er springt dabei von einem Thema zum nächsten und versucht nichts unerwähnt zu lassen. Neben rohrbauspezifischen Fragen werden auch Themen wie der Bohrung der Oboe, der Undercut der Tonlöcher, die Fitness beim Oboenspiel, Gehörschutz und der Instrumentalunterricht beschrieben. Leider verliert er dabei oft den Faden und kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Allein in den ersten 50 Seiten hat er nahezu alle Themen angerissen, die mit dem Oboenspiel zu tun haben und überfordert dabei oft den Leser mit der Fülle an Informationen. Schnell kommt einem der Gedanke, dass das Buch besser den Titel "Understanding the world of Oboe" tragen sollte.

Im zweiten Kapitel steigt Salter nun richtig in den Rohrbau ein und konfrontiert den Leser mit der Aussage, dass fast jeder Ton durch Bearbeiten einer Region am Rohr korrekt intoniert werden kann. Ebenso beschreibt er die Anwendung des Goldenen Schnitts am Oboenrohr und analysiert sehr komplex auch die Einflüsse von Hülse und Fasson, um dann am Ende Tipps zu Rohrschachteln zu geben. Sehr oft vermischt er Themen, die eher in die ersten Oboenstunden gehören, wie beispielsweise den Umgang mit den Oboenrohren, mit komplexen Themen für Profis. Selbst das Mitnehmen eines Ersatzrohres und eines Wasserbechers auf die Bühne, oder das man seine Oboenrohre in der Schachtel sortieren soll, um nicht den Überblick zu verlieren, muss Salter unbedingt in seinem Buch festhalten.

Das dritte Kapitel befasst sich ausschließlich mit dem amerikanischen Rohrbau. Da Graham Salter Brite ist, überlässt er Elaine Douvas (Metropolitan Opera) und Linda Strommen (Indiana University Jacobs School of Music) diesen Teil. Auch hier geht die Beschreibung des Rohrbaus sehr in die Tiefe und bietet auch Alternativen sowie Anleitungen zur Fehlerbehebung.

Der Abschnitt über die verschiedenen regionalen Unterschiede ist Graham Salter hingegen sehr gut gelungen. Über einen kleinen Schwenk in die Historie kommt er zu bedeutenden Oboisten wie Henri Brod und Antonio Pasculli. Interessant beschreibt er die Verschiedenheiten von Deutschen, Niederländischen, Britischen, Amerikanischen und Wiener Oboenrohren und geht dabei sogar intensiv auf die deutsche Teilung in Ost und West ein.

Nach über 150 Seiten startet das Vierte Kapitel nun endlich mit den einzelnen Aspekten des Oboenrohrbaus und geht dabei wie gewohnt systematisch vom Stangenholz bis zum fertigen Rohr vor. Sehr detailliert wird hier Schritt für Schritt erklärt und analysiert. Trotz der durchaus minutiösen Beschreibung kommt das Buch mit wenig textbegleitenden Bildern aus. Da nicht jeder Oboist alle Maschinen und Geräte zum Rohrbau kennt, ist es daher manchmal schwierig bestimmte Aspekte zu verstehen. 

Nichtsdestotrotz ist der Umfang des Wissens bemerkenswert. Alle Zusammenhänge von Stangendurchmesser bis Fasson und die daraus resultierenden Auswirkungen sind in diesem Buch beschrieben. Neben dem korrekten Umgang mit den Maschinen wird auch die korrekte Einstellung und die Kontroverse um das Einweichen des Holzes thematisiert. Der Schabung der Bahn widmet Salter sogar ein eigenes Kapitel, welches im absoluten Highlight des Buches endet. Graham Salter hat Oboenrohre von über 100 berühmten Oboisten fotografiert und vermessen. Teilweise beschreibt er selbst deren Klang. Von historischen Oboenrohren aus Musiksammlungen und insbesondere einem Rohr von Pasculli kann er von fast jedem bedeutenden Oboisten Rohre vorweisen. Albrecht Mayer, Maurice Bourgue, Gregor Witt, Jonathan Kelly, Clara Dent, Lothar Koch, Gordon Hunt und Washington Barella sind nur einige von vielen, deren Oboenrohre vermessen und analysiert wurden. Teilweise sind zusätzlich noch kleine Interviews und Anweisungen der jeweiligen Oboisten beigefügt.

Über 100 Rohre von bedeutenden Oboisten hat Graham Salter fotografiert und vermessen.
Über 100 Rohre von bedeutenden Oboisten hat Graham Salter fotografiert und vermessen.

Am Ende des Buches lässt Graham Salter es sich nicht nehmen noch in die Welt des Instrumentenbaus abzutauchen. Position und Größe von Tonlöchern sowie dessen Korrekturmöglichkeiten sind ebenso Thema wie die Bohrung und die Mechanik.

Dieses Werk ist mit seinem enormen Umfang eine absolute Bereicherung für jeden Oboisten.Trotz der manchmal etwas unstrukturierten Form und dem Verlieren des roten Fadens, ist es Graham Salter gelungen alles zum Thema Oboe in diesem Buch zu vereinen. Ob eventuell drei eigenständige Bücher nicht besser gewesen wären, um die Übersicht zu wahren, sei dahingestellt. Das komplexe Wissen und die unglaubliche Arbeit dahinter ehrt Salter und macht dieses Werk zu einem Standard für jeden Oboisten.

 

Erhältlich bei Oboe-Shop.de oder deinem Händler des Vertrauens für 49,95€.

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