Einfrieren? Ab in die Tiefkühltruhe? -
Natürlich nicht zu Hause im eigenen Tiefkühlfach!
Schon seit einiger Zeit werden Blechblasinstrumente, Querflöten und sogar Streichinstrumente mit einem besonderen Verfahren behandelt. Die Instrumente werden langsam auf -180°C abgekühlt. Dabei
werden ungewollte Spannungen im Instrument gelöst, was sich positiv auf das Spielverhalten auswirkt.
Lässt sich das auch für unser Instrument nutzen?
Die Cryo-Technik, das Abkühlen von Werkstoffen, ist in der Metallindustrie ein weit verbreitetes Verfahren um eine höhere Haltbarkeit, Stabilität und günstigeres Schwingungsverhalten zu erlangen. Die unterschiedlichsten Anwendungen von der Werkzeugindustrie über Tuning von Rennwagen bis hin zur Optimierung der Bögen beim Bogenschießen zeigen, dass das Verfahren bereits gut erforscht ist. Die Auswirkungen der Cryo-Technik sind wissenschaftlich belegt und nicht dem Bereich der Esoterik zuzuordnen.
Was passiert beim Tiefkühlen?
Das Abkühlen des Werkstoffes auf unter -180°C bewirkt eine molekulare Umwandlung der Mikrostruktur. Die Gitterstruktur wird gleichmäßiger (homogen) und durch die Neuanordnung der Moleküle werden Spannungengelöst, die durch die Bearbeitung des Werkstoffes entstanden sind.
Weiterhin bilden sich Karabide (Kohlenstoffverbindungen)
und das enthaltene Restaustenit wird in
Martensit umgewandelt, was die Festigkeit des Werkstoffes
verbessert.
Für den Bereich der Musikinstrumente ist vor allem der Effekt des Spannungsabbaus interessant. Bei der Herstellung von Instrumenten sind gerade Metallteile großen Spannungen ausgesetzt. Durch das Biegen, Schlagen, Feilen, und Erhitzen bilden sich in der Gitterstruktur Spannungen, die beim fertigen Musikinstrument zu ungünstigen Schwingungsverhalten führen können. So entstehen auf manchen Instrumenten Problemtöne und Schwierigkeiten bei Bindungen oder in der Ansprache.
Sogar die Holzteile der Instrumente können mit diesem Verfahren behandelt werden. Hierbei wird eine künstliche Alterung erzielt, ohne dass es zu einer Rissbildung kommt. Möglich wird dies durch das schonende Verfahren.
Die Abkühlung geschieht sehr langsam (1-2°C/min) und in bestimmten Temperaturkurven bis auf -180°C. Anschließend erfolgt die Erwärmung bis auf +35°C ebenso langsam. Durch den langsamen Verlauf entstehen kein Temperaturschock und keine Kondensationsbildung. Risse und Beschädigungen werden somit vermieden. Die in einer speziellen Truhe befindlichen Instrumente kommen bei der Behandlung auch nicht mit flüssigem Stickstoff in Verbindung.
Bei Blechblasinstrumenten wird die Cryo-Technik bereits seit mehreren Jahren mit großem Erfolg angewendet. Zunehmend findet das Verfahren nun auch bei anderen Instrumenten gefallen. So konnten bereits Saxophone, Querflöten aber auch S-Bögen von Fagotten und Blattschrauben von Klarinetten mit positivem Ergebnis behandelt werden.
Wie sieht es nun bei uns aus? Können wir auch von dieser interessanten Technik profitieren?
In Frage kommen Teile des Instruments die von verbessertem Schwingungsverhalten profitieren. Bei der Oboenfamilie sind dies in erster Linie der S-Bogen beim Englischhorn und die Hülsen bei der Oboe. Möglich wären sicherlich auch die Klappen und das Holz, was aber bisher noch nicht getestet wurde.
Der S-Bogen vom Englischhorn sowie die Hülsen können komplett mit dem Korken behandelt werden.
Der Test
Ausgewählt für den Test habe ich 5 neue Hülsen der Marke Möckel. Die Hülsen benutze ich regelmäßig und kann somit kleine Unterschiede im Schwingungsverhalten gut feststellen.
Weiterhin wurden zwei S-Bögen ausgewählt, ein eigener und einer von meiner Kollegin Almut van Drünen (Solo-Englischhornistin).
Die Soundfresh-Behandlung durch Georg Selders dauert nur ein paar Tage, muss aber abgesprochen werden, da ein Tiefkühlvorgang natürlich mit einer möglichst vollen Truhe stattfindet.
Der erste Eindruck bei den S-Bögen war positiv. Das Gefühl beim Spielen ist gut und es gibt tatsächlich eine Veränderung. Besonders in der tiefen Lage hat die Ansprache der Töne gewonnen. Insgesamt habe ich auch das Gefühl, dass der S-Bogen etwas freier geworden ist.
Der Eindruck deckt sich auch mit den Erfahrungen meiner Kollegin. Ihr S-Bogen hatte vorher immer etwas viel Widerstand und stockte. Nach der Behandlung war das deutlich besser. Ganz frei und perfekt ist der S-Bogen allerdings nicht geworden.
Ein weiteres Feedback kam von meinem Instrumentenbauer Christoph Viandt, der zu seinem Altsaxophon zwei S-Bögen besitzt. Nachdem er den schlechteren von beiden zur Soundfresh-Behandlung gegeben hat, spielt er nun nur noch auf diesem. Das Spielverhalten soll sich deutlich in allen Lagen verbessert haben.
Die Hülsen habe ich wie bei meinen anderen Hülsentest wieder im direkten Vergleich testen können. (siehe Großer Hülsentest) Dabei wurde der Holzteil mit einer Zwinge fixiert und der Faden gelöst. Mit etwas Heißkleber wird nun der Faden ersetzt. Nach dem Aushärten kann der Holzteil des Oboenrohres nun bequem von einer auf die andere Hülse gesteckt werden.
Beim Wechsel zwischen den Hülsen konnte ich leider keinen wirklichen Unterschied feststellen. Die Hülsen desselben Typs waren auch nach der Behandlung nahezu gleich. Vermutlich ist der Metallanteil zu klein um einen signifikanten Unterschied spürbar zu machen. Unterschiedliche Materialien und Maße schlagen da viel mehr ins Gewicht.
Fazit
Das Tiefkühlen der S-Bögen für das Englischhorn ist eine sinnvolle Sache und kann die Ansprache und das Schwingungsverhalten etwas verbessern. Gerade in der tiefen Lage ist der Unterschied spürbar. Schwierige S-Bögen mit zu viel Widerstand und stockiger Ansprache können durch die Behandlung positiv beeinflusst werden.
Bei den Oboenhülsen war leider keine Veränderung spürbar. Die Verwendung von anderen Materialien oder Maßen bei der Hülse sind viel stärker zu spüren und Verändern das Spielverhalten deutlich.
Die Soundfresh-Behandlung eines S-Bogens liegt bei ca. 30€ zzgl. Versand (Stand: 2017) und ist damit recht günstig. Die Anschaffung eines neuen S-Bogens ist um ein vielfaches teurer. Probieren lohnt sich!
Georg Selders CryoService
Feldstraße 6
47652 Weeze-Wemb
Telefon: +49 2837 1763
Mobil: +49 157 333 55 924
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