Die Klangfarbe des C² beschäftigt jeden Oboisten. Häufig klingt der Ton hell, wackelt und fällt klanglich raus.
Der passionierte Laienoboist Ernst Reißner und der Holzblasinstrumentenbau-Meister Uwe Döhnert sind der Ursache auf den Grund gegangen und haben eine Mechanik entwickelt, die die klanglichen Probleme löst ohne dass ein anderer Griff gewählt werden muss.
Um zu verstehen warum unser c² auf der Oboe klanglich rausfällt, hilft ein kurzer Blick auf die Mechanik. Die Klappe, aus der unser c² erklingt, befindet sich direkt unterhalb der H-Klappe. Damit diese sich öffnet, wird mit dem rechten Zeigefinger die Fis-Klappe runter gedrückt. Aber genau darin besteht das Problem. Das c² ist somit ein Gabelgriff. Anstatt des bloßen Öffnens der kleinen Klappe unter dem H wird zusätzlich wieder eine Klappe geschlossen. Dadurch entsteht ein unausgeglichenes Klangspektrum. Auch beim Gabel-F bemerkt man stark den anderen Klang, der so gar nicht in das Klangbild der anderen Töne passt.
Immer wieder gab es Versuche die Probleme des c² zu lösen. Beim englischen Thumbplate-System wird die c-Klappe durch Loslassen eine Daumenplatte geöffnet. So muss die Fis-Klappe nicht mehr betätigt werden.
Andere Versuche beschäftigten sich mit der Modifikation der Fis-Klappe. So habe ich auch schon vor einiger Zeit hier auf meinem Blog über
die Idee der Fis-Klappe mit Loch berichtet.
Der Oboist Karl-Friedrich Wentzel hat mir von dieser Möglichkeit
berichtet, bei der man das c² dann nur mit Spatula an der Fis-Klappe greift.
Auch bei der vollautomatischen Oboenmechanik hat man die Problematik berücksichtigt und die Möglichkeit eingebaut das c² alternativ mit dem rechten Mittel- oder Ringfinger zu greifen. Dadurch wird der Gabelgriff etwas verlängert und fällt nicht mehr so ins Gewicht.
Alle diese Ideen haben aber eines gemeinsam. Wir müssen einen anderen Griff für das c² wählen, wenn es schön klingen soll.
Uwe Döhnert und Ernst Reißner hatten sich bei der Behebung des klanglichen c² Problems das Ziel gesetzt, eine Mechanik zu entwickeln, die dem Oboisten das schöne c² ermöglicht, ohne eine andere Griffweise zu benutzen. Gelungen ist es ihnen durch die seitliche Versetzung des Tonlochs unter der Fis-Klappe.
Physikalisch macht es nämlich keinen Unterschied ob das Tonloch oben oder an der Seite liegt. Beim Prototyp, einer Marigaux Oboe, wurde das originale Tonloch unter der Fis-Klappe verschlossen und exakt (durch den Hersteller) an der Seite neuerstellt.
Damit sich diese Klappe bereits beim b wieder schließt, wurde zudem ein Bügel an der a-Klappe angebracht, der die neue c-Klappe wieder schließt. Dadurch wird nur der Klang des c² beeinflusst. Auf alle anderen Töne hat diese neue Mechanik keine Auswirkung.
Der große Vorteil ist, dass sich grifftechnisch nichts ändert und man, bis auf den schöneren Klang des c², keinen Unterschied an der Oboe wahrnimmt. Auch optisch stellt man es erst bei näherem Hinsehen fest, da die Veränderung nur minimal ist.
Der Umbau der Oboe ist relativ unproblematisch. Auch wenn das Bohren eines neuen Tonlochs erst einmal nach einem großen Eingriff klingt, so ist dies für einen Holzblasinstrumentenbau-Meister keine große Sache. Die Mechanik wird schonend an den bereits bestehenden Achsen montiert und am Ring des Mittelstücks befestigt. Es kommen keine weiteren Säulchen dazu. Das Holz der Oboe wird bis auf das neue Tonloch nicht weiter angebohrt. Die "Döhnert-Reißner-Mechanik" ist sehr robust gebaut und nicht fehleranfällig. Der Prototyp wurde bereits mehrfach von unterschiedlichen Oboisten auch im Orchesterdienst getestet.
Es gibt übrigens die Möglichkeit das c² vorher auch am eigenen Instrument zu testen.
Drückt man beim Greifen des h1 zusätzlich mit dem Daumen auf den Hebel für die c-Klappe und lässt dabei die Fis-Klappe geöffnet, dann kann man den schönen Klang des c² hören. Abwechselnd kann man nun die Fis-Klappe hinzunehmen um einen besseren Vergleich zu bekommen.
Am Anfang ist der Klang manchmal etwas ungewohnt, weil wir uns schon an die hellere Klangfarbe des c² gewöhnt haben. Doch vergleicht man das neue c² mit den anderen Tönen der Oboe wird man feststellen, dass es eigentlich viel besser zum Klangspektrum passt.
Weitere Informationen zum Umbau sowie den Prototyp zum Testen bekommt ihr bei
Uwe Döhnert im Holzblas Atelier und auf der Internetseite www.doehnert-reissner.de.
Für Interessierte an den physikalischen Aspekten als auch der geschichtlichen Entwicklung der Mechanik rund um das c² empfehle ich den Artikel aus der 'rohrblatt Ausgabe 4/2015 und 1/2016.
Reißner, Ernst: Kleine Verbesserungen der Oboe im
großen Kontext. Die Geschichte des c2 und eine mögliche Fortsetzung
(Einzeldownload möglich)
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Heiko (Donnerstag, 16 Februar 2017 00:10)
Sehr interessant. Aber durchsetzen wird es sich erst wenn Hersteller wie Marigaux auf den Zug aufspringen....
Ernst (Donnerstag, 16 Februar 2017 13:15)
Ob Du es glaubst oder nicht: Marigaux ist halb auf dem Zug:
Du kannst Dir bei Marigaux in Paris ein Instrument aussuchen
und mit C-Mechanik versehen lassen, obwohl die Option nicht auf der Preisliste steht.
Wenn Du was zur Verbreitung beitragen willst:
Einfach mal bei Marigaux oder irgend einem Hersteller anrufen und die C-Mechanik verlangen :)
Mario Karger (Donnerstag, 16 Februar 2017 15:44)
Ich kann mir nicht helfen, aber ich sehe auf den Fotos zwei neue Säulchen (also Bohrungen) für die neue Achse und zwei neue Stellschrauben zum Justieren. Was wäre denn der Preis für eine derartige Modifikation. Den Klangunterschied habe ich auch feststellen können, wenn man die Klappen seitlich am Oberstück aufdrückt und dann die Fis-Klappe wegläßt. Bliebe eine Kosten-Nutzen Abwägung.
Ernst (Donnerstag, 16 Februar 2017 20:54)
Ja, genau, der Test den Du beschreibst liefert genau den Klang,
den auch die Mechanik 'automatisch' liefert.
Was geändert ist, ist, wie Du schon geschrieben hast,
die neue Klappe an den beiden neuen Säulchen,
dazu der Hebel an der Fis-Klappe mit der einen Stellschraube,
sowie der Bügel an der A-Klappe, der zum Mittelstück führt mit der anderen Stellschraube.
Das war's im Wesentlichen. :) was die Mechanik angeht.
wie
Ernst (Samstag, 18 Februar 2017 04:38)
Nachtrag: Welche Teile die angesprochene Mechanik hat,
sieht man auf der Homepage: www.doehnert-reissner.de
Mario Karger (Sonntag, 19 Februar 2017 21:03)
Nach Lesen der Homepage habe ich meine Versuche mal auf das b ausgeweitet und festgestellt, daß der seitliche Griff natürlich auch Auswirkungen auf diesen Ton hat. Wobei der Effekt eher umgekehrt ist: Das c klingt dunkler, dafür das b aber deutlich heller und lauter. Das habe ich auf mehreren Oboen von Marigaux und Püchner feststellen können. Auf der Seite steht, daß die neue Mechanik nur den Ton c verändert, man das b aber auf Wunsch dynamisch verbessern könne. Wäre das der Effekt, den ich festgestellt habe? Beim b1 war ich ehrlich gesagt nicht so überzeugt, aber beim b2 fand ich den Ton obertonreicher und er stand besser, ähnlich dem Effekt einer zusätzlich gegriffenen Es-Klappe.
ernst (Montag, 20 Februar 2017 12:07)
Ja, unsere Erfahrung ist, dass c'' eigentlich immer viel besser wird.
Bei b1 ist das nicht so klar, es kommt mehr auf das Instrument an.
Ebenso bei b2.
Meine Marigaux hat von Haus aus ein *sehr* schönes b1, aber mit wenig Dynamik.
Deshalb tut da die B-Mechanik gut.
Interessanterweise verhalten sich Oboe und Englischhorn auch nicht ganz gleich:
Beim Englischhorn liefert die reine C-Mechanik kaum Mehrwert,
ok, der Ton wird immer etwas besser aber nicht sehr.
Dafür ist die B-Mechanik meist eine echte Verbesserung.
Ich meine, man müsste beim b1 auf der Oboe ein paar Versuche mit der Tonlochgröße machen.
Bis auf weiteres machen wir halt das an, was der Oboist will:
c oder b oder beides.
Bernd Schulz (Montag, 20 Februar 2017 23:02)
Wenn ich die obenstehenden Beiträge lese, bin ich einmal mehr froh, dass ich mich schon im letzten Jahrtausend von der während des Studiums über einige Jahre geblasenen Marigaux verabschiedet habe!
Auf meiner heißgeliebten Adler (Baujahr 1994, Cocobolo, nachträglich mit einem MS-Metallkopf "getunt") ist das c2 ein Ton wie jeder andere. Mit dem normalen "Gabelgriff" stimmt es hervorragend und fällt auch klanglich nicht aus dem Rahmen. Insofern sehe ich da für mich überhaupt keinen Handlungsbedarf.
Bei der Marigaux, die ich jetzt noch besitze, um auf ihr Rohre für meine Kunden auszuprobieren, sieht die Sache allerdings anders aus. Wenn ich dieses Instrument tatsächlich für Konzerteinsätze in Erwägung ziehen würde, würde ich ernsthaft über den Einbau der Döhnert-Reissner-Mechanik nachdenken!
Mein Fazit: Bei der das c2 betreffenden Problematik handelt es sich gemäß meinen Erfahrungen um eine eher markenspezifische Angelegenheit. Die Döhnert-Reissner-Mechanik kann die vielen Oboen, die unter einem mäßigen bis lausigem c2 leiden, wahrscheinlich stark verbessern - aber ich spiele noch lieber auf einem Instrument, welches von vorneherein ein einwandfreies c2 aufweist....
Beste Grüße
Bernd
Mario Karger (Dienstag, 21 Februar 2017 17:27)
Glückwunsch, wer ein in allen Registern ausgeglichenes Instrument gefunden hat. Alle anderen können sich auf eine Alternative freuen, die hoffentlich bezahlbar bleibt. Im Grunde genommen ist alles, was einem persönlich auf unserem Instrument weiterhilft, begrüßenswert. Meine Marigaux ist auch schon lange nicht mehr im Originalzustand und wurde für mein Befinden verbessert. Ein anderer Oboist kommt wahrscheinlich zu ganz anderen Ergebnissen, aber ich finde gerade das an unserem Instrument so spannend. Kein Instrument ist so individuell wie das Instrument des Jahres 2017!
Bernd Schulz (Dienstag, 21 Februar 2017 22:37)
"Im Grunde genommen ist alles, was einem persönlich auf unserem Instrument weiterhilft, begrüßenswert."
Da stimme ich dir ohne Einschränkung zu, Mario!
Ich wehre mich nur ein wenig gegen die Aussage, das c2 müsse, da es mit einem Gabelgriff verbunden ist, grundsätzlich ein problematischer Ton sein. In den letzten 30 Jahren hatte ich schon viele Oboen (Marigaux, Püchner) mit einem klanglich und/oder intonationsmäßig herausfallenden c2 in den Händen, aber in meiner kleinen Sammlung befinden sich auch mehrere Instrumente (Adler, Buffet, Springer), auf denen das c2 überhaupt keine Schwierigkeiten macht.
Karl-Friedrich Wentzel (Freitag, 17 März 2017 08:33)
Super Erfindung, jedoch wird es in der 3.Oktave etwas unhandlich, da greift es sich mit meiner offenen Fis Klappe und einem optionalen Stöpsel drin deutlich einfacher. Die Zukunft ist wohl eine dem jeweiligen Zweck angepasste Mechanik, die sich leicht modifizieren lässt.
Hanno Schütz (Freitag, 31 März 2017 10:25)
Liebe Kollegen,
versuchen Sie doch einmal für ein superweiches c´´diese Griffkombination :
es-Klappe-d-Klappe und e-Klappe .
Ideal für mein Instrument bei einem lang ausgehaltenen c´´
Allerdings muß ich hin und wieder den Ton etwas hochstützen.